Ines Sebesta - Übersetzerin für Bulgarisch/Slowakisch und Autorin |
|
Lust auf Schnee – Skigeschichte(n) zum Schmunzeln und Staunen Ein Teil lernte es schon als Kleinkind im Zwergerl-Kurs, andere versuchen es erstmals während des Winterlagers ihrer Schule, wieder andere finden als Erwachsene Gefallen daran, auf zwei Brettern weiße Hänge hinabzurauschen. Lust auf Schnee – Skigeschichten ist im Oktober 2012 im Verlag Wieser Verlag GmbH Klagenfurt erschienen; es hat neben 334 Seiten auch ein Lesebändchen und ist ab November 2012 unter der und hier ist ein Blick ins Inhaltsverzeichnis möglich: ... Sobald ich Ludek vom Après-Ski erzählte, reagierte er reserviert: "Wie, ihr geht gleich nach der Piste tanzen? Ohne zu duschen?" Wir hatten uns irgendwie festgefahren. Bara versuchte mir das Problem zu erklären: "Weißt du, so wie ihr Après-Ski betreibt, funktioniert das in Tschechien nicht. Tschechen gehen sich nach dem Skifahren erst mal frisch machen, sie haben nämlich geschwitzt, denn Skifahren ist für uns SPORT. Für Deutsche ist es mehr eine Freizeitaktivität. Das sieht man schon daran, dass sie in der Hütte sitzen, OBWOHL DIE LIFTE NOCH IN BETRIEB SIND. Sicher wird abends im Hotel noch ein gepflegtes Bier getrunken, oder auch mal zwei oder drei, aber nicht mehr, denn der nächste Skitag beginnt mit Anschalten des Lifts, also um halb neun." Und dann zieht sie ihren letzten Trumpf: "Außerdem müssen Tschechen mit dem Trinken nicht bis zum Après-Ski warten, sie haben ja einen Flachmann in der Skijacke." Ich war am Resignieren, selbst die Österreich-erfahrene Bara sah in dem Après-Ski-Event nur ein Trinkgelage. Doch dann ergab sich am letzten Tag im tschechischen Teil des Erzgebirges doch noch eine Möglichkeit. Als in Boží Dar Punkt 16 Uhr die roten Holzkreuze in gewohnter Manier die Lifteinfahrt blockieren, sage ich zu Ludek: "Weißt du was? Wir werden es jetzt tun!" – "Gut, aber was?" – "Après-Ski! In Oberwiesenthal!" Ludek schaut einen Moment unentschlossen, dann nickt er. "Aber ich geh erst duschen." ... ... Als wir an einer abschüssigen Waldkante entlanggehen, finde ich mich plötzlich im Schnee wieder. Mein rechter Ski muss unter dem Schnee in einen Zweig eingefädelt sein. Ich versuche mich hochzudrücken. Der Skistock versackt im Bodenlosen, auch auf der anderen Seite treffe ich keinen Widerstand. Offensichtlich ist unter mir ein Hohlraum, ich liege wahrscheinlich auf einer kleinen Fichte. Inzwischen hat Peter das Fehlen des Geschnaufes in seinem Nacken bemerkt, ich sehe ihn wenden. Wortlos hilft er mir in die Senkrechte. Von oben schaue ich auf die tiefe Kuhle zu meinen Füßen, ich erkenne die Kapuze und die Nähte meiner Jackenärmel. ... Als Grund für dieses Heimischfühlen (der Deutschen) im Nachbarland geben die Analysten gemeinhin an, dass in Österreich Deutsch gesprochen wird. Doch ist dem tatsächlich so, oder sprechen Österreicher nur Deutsch, wenn es keine andere Möglichkeit gibt? Hat sich von den Gästen aus Deutschland schon einmal jemand dafür bedankt, dass anstelle Topfenstrudel auf der Speisekarte Käse-Sahne-Torte steht und anstelle Kalbsvögerln Kalbsroulade und anstelle und Fleischlaberl mit Fisolen Frikadellen mit Bohnen? Würden sich Baden-Württemberger des Plattdeutschen bedienen, um Gästen aus dem Norden den Aufenthalt angenehmer zu machen oder würden Hamburger aus Gastfreundschaft sächseln? Anders gefragt: Ist es nicht an der Zeit, sich bei den österreichischen Gastgebern erkenntlich zu zeigen, indem der deutsche Gast ihnen sprachlich ein paar Schritte entgegen kommt? Für die Österreicher begännen die Probleme mit jenen, die von "jenseits der Weißwurstgrenze" stammten, oder wie es kürzlich in einem mehrstündigen Radiobeitrag des österreichischen Rundfunks zum Verhältnis von Österreichern und Deutschen hieß: "Die Österreicher unterscheiden sehr genau zwischen den Norddeutschen und den Bayern, Baden-Württembergern und Schwaben - das sind noch Nachbarn, mit denen man klar kommt. Alles was nördlich der Weißwurstgrenze liegt, ist für sie feindliches Ausland." Von Österreich aus schaut man also sehr genau auf diese imaginäre Weißwurst-Demarkationslinie, die in keinem Atlas verzeichnet ist und zu deren Verlauf es unterschiedliche Angaben gibt. Während die meisten Norddeutschen noch nie interessiert hat, wo genau diese Grenze liegt, existieren im Süden gleich mehrere Theorien zu deren Verlauf. Für Münchner ist die Sache klar: Man steche die Zirkelspitze in ihre City und ziehe einen Kreis mit einem Radius von hundert Kilometer. Fertig. Anderen Quellen zufolge erstreckt sich die Grenze von Saarbrücken aus über Frankfurt bis nach Hof, wieder andere bestehen darauf, der Weißwurstäquator folge dem Lauf des Main. Unabhängig davon, wo genau diese Linie nun gezogen wird, ist eines Fakt: an der Weißwurst scheiden sich die Geister. Der Albino unter den Würsten hat einen immensen kulturhistorischen Einfluss und nebenbei scheint es nicht nur das Hörverständnis, sondern auch die sprachliche Gewandtheit zu fördern (was schon allein am Buchstaben Rrrrrrrr zu erkennen ist - bei Weißwurstessern rollt es praktisch von selbst). Da das Verständnis für alpenländische Dialekte offensichtlich direkt proportional zu den gegessenen Weißwürsten steigt, heißt es im Umkehrschluss, dass ein Norddeutscher durch regelmäßigen Weißwurstkonsum dem Land seiner Skiträume sprachlich näher kommen würde. Ein Nebeneffekt wäre, dass unliebsame Missverständnisse ausgeschlossen werden könnten, wie jenes, von dem ein aus Mitteldeutschland stammender Neuwiener im oben erwähnten Radiobeitrag berichtete: "Ich dachte immer, das sei mein ganz persönlicher Kosename in diesem Kaffeehaus, wo ich immer verkehrte. Ich bin rein gekommen und es raunte: ,Oi, da ist ja wieder der Piefke!' ,Ja', hab ich gewunken, ,ich bins, euer Piefke! Bin wieder da!'" Wer also nicht weiter zu den Fremden gehören will, bei denen das Kaffeehaus raunt, der muss nur eins tun: An der heimischen Wursttheke und in jedem norddeutschen Restaurant Weißwürste verlangen, nicht vorsichtig danach fragen, sondern ohne zu zögern: "Vierweißwürstebitte, komplett, Siewissescho." Wenn alle skifahrenden Norddeutschen das tun, wird es mathematischen Wahrscheinlichkeitsrechnungen zufolge 7,966 Jahre dauern, bis die Weißwurst sich auch auf der letzten Speisekarte von Eckernförde ihren Platz erobert hat, und somit werden in knapp acht Jahren in ganz Deutschland die kulinarischen Vorraussetzungen für den Anschluss Nord- und Mitteldeutschlands an die Weißwurstregion gegeben sein. All jene, denen die Kombination aus gezutzeltetem farblosem Fleisch, süßem Senf und salzigem Gebäck suspekt scheint oder denen acht Jahre einfach zu lange sind, können auf Plan B zurück greifen – einen Österreichisch-Schnellkurs in sechs Lektionen (im Folgenden wird eine Kurzfassung des Kurses wieder gegeben). |
© 2004 - 2023 · Ines Sebesta· email senden |